Dr. Hans-Thomas Tillschneider
Der deutsche Sinn
Am Anfang war das Augenlicht, die sinnliche Wahrnehmung, mit der alles beginnt, sobald wir die Augen aufschlagen. Doch schon der Anschein, den die Dinge bieten, führt uns zum Sinn als der Bedeutung, die wir den Dingen geben. Und schließlich gewinnen alle Bedeutungen ihren Sinn nur durch eine Gesinnung, die über allem steht und die Bedeutungsfülle der Welt bündelt und ordnet.
Es gehört zu den sozusagen sinnigen Verdichtungen der deutschen Sprache, dass sie in dem unscheinbaren Wörtchen „Sinn“ diese drei, nämlich die äußere Wahrnehmung, die Bedeutung und die Gesinnung verbindet und ineinander verschränkt. Das Werk des Malers Caspar David Friedrich wiederum zeichnet aus, dass er wie kein anderer Maler diese drei Bedeutungsräume in einem spezifisch deutschen Sinne ausmalt.
Die Italien-Verehrung der klassischen Schule zurückweisend, reiste Caspar David Friedrich bewusst nicht nach Italien, um dort die typischen Landschaften zu studieren, sondern blieb zeitlebens in einem Gebiet, das ungefähr den östlichen Bundesländern entspricht und schulte dort sein Auge an deutschen Landschaften: die Kreidefelsen auf Rügen, der Harz, Klosterruinen, mächtige Eichenstämme.
Caspar David Friedrich aber zeichnete nie nur ab, sondern collagierte in seinen Gemälden die abgeschauten Motive zu Landschaften, die nirgendwo zu finden waren. „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht“, war Friedrichs Maxime. Was am Ende herauskam, waren Ein- und Ausbildungen einer deutschen Seele. Friedrichs Gemälde sind mustergültige Antworten auf die Frage, was denn eine deutsche Malerei sein könnte.
Caspar David Friedrich gab der Malerei so einen deutschen Sinn. Die AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt hat deshalb beantragt, einen Caspar-David-Friedrich-Preis als Landespreis für deutsche Malerei zu stiften. Damit sollten Maler ausgezeichnet werden, die in ihrem ganz eigenen, zeitgemäßen Stil wie einst Caspar David Friedrich einen spezifisch deutschen Stil ausgebildet haben.
Dieses, nennen wir es „Ansinnen“, wurde, wie kann es anders sein, von den Altparteien abgelehnt. Aber wir freuen uns, zur Würdigung von Werk und Leben Caspar David Friedrichs nun im 250sten Jahr nach seinem Geburtsjahr diese Ausstellung präsentieren zu können.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider
1. stellv. Vorsitzender der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt,
Sprecher für Bildung, Kultur und Wissenschaft
CDF – Das deutsche Auge
Die deutsche Romantik ist keine weltabgewandte Träumerei. Deutsche Romantiker greifen als Krieger, Künstler und Politiker in das Weltgeschehen ein. Romantische Ideen bereiten den Zusammenschluss aller Deutschen in einem einheitlichen Nationalstaat vor. Der Nationalgedanke und damit verbunden auch die Achtung fremder Völker, Kulturen und Nationen wurzeln in der deutschen Romantik.
Die Romantik richtet sich gegen die Auswüchse des aufklärerischen Rationalismus und die moderne Industriegesellschaft. Dem materialistischen Machbarkeitsdrang und dem Herrschaftsanspruch der Rationalität setzt die Romantik eine ganzheitliche Auffassung vom menschlichen Sein entgegen. Nicht alles soll von der Vernunft restlos erklärt werden können.
Abbildung: Caroline Bardua, Bildnis des Malers Caspar David Friedrich, 1810, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
So zeichnen sich die Gemälde Caspar David Friedrichs in gut romantischem Sinn dadurch aus, dass sie sich der vollständigen Erklärung entziehen und im wahrsten Sinn des Wortes geheimnisvoll bleiben: Es sind Bilder voller Geheimnisse. Diese Meisterwerke der Malerei sind gleichweit von theoretischer Konstruiertheit wie von schlichter Naturnachahmung entfernt. Die vertrauten Züge der heimatlichen Landschaft versteht Friedrich in seinen Gemälden zu idealisieren, ohne ins Schablonenhafte und Typische abzugleiten. Es sind Landschaften einer deutschen Seele, es sind deutsche Landschaften.
Wie alle große Kunst vermögen sie uns darin auch nach Ablösung von den Bedingungen ihrer Entstehungszeit etwas zu sagen. Auch noch aus einem Abstand von zwei Jahrhunderten begegnen wir in Caspar David Friedrichs Bildern einem deutschen Blick auf die Welt.
Auf den folgenden Seiten machen wir in Zeichnungen, die den bekanntesten Bilderfindungen des Künstlers nachempfunden sind, seinen Lebensweg und die Auswirkungen seiner Kunst deutlich. Die AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt lädt den Betrachter ein, dieser kurzen Nachzeichnung von Caspar David Friedrichs Leben und Werk zu folgen, den Blick mitwandern zu lassen und so vielleicht zu neuen Ansichten zu gelangen oder auch nur die eigenen Standpunkte besser zu verstehen.
Abbildung: Die Lebensstufen, um 1835, Museum der Bildenden Künste Leipzig
Ein deutscher Patriot aus Schwedisch-Pommern
Caspar David Friedrich wird am 5. September 1774 in Greifswald in Schwedisch-Pommern geboren. Die schwedische Provinz ist als deutsches Herzogtum Teil des Heiligen Römischen Reiches. Zudem reichen die deutschen Geisteseinflüsse damals bis in den hohen Norden und ins tiefste Russland hinein. Gelehrte, Künstler, Beamte, Kaufleute und Militärs deutscher Herkunft wirken an der Akademie von Stockholm wie in den Ministerien von Sankt Petersburg und den Märkten von Reval bis Krakau, welches wie Mailand und Parma österreichisch ist und von Wien regiert wird. Bis zu Napoleons Eroberungszügen sind die Seele und der Blutkreislauf dieses gestaltreichen Europas deutsch. Die Verschiedenheit der Ethnien, Konfessionen und Sprachen ist dafür kein Hindernis.
Auch für den patriotischen deutschen Maler bedeutet seine Beziehung zu Schweden kein Widerspruch. Im Gegenteil: Seinen jüngsten Sohn nennt er 1824 nach dem berühmten Wasa-König Gustav Adolph. Auf einem der letzten Bilder Friedrichs ist ein Knabe zu sehen, der einen Wimpel mit den schwedischen Nationalfarben schwenkt.
Naturerfahrung
Bereits im Knabenalter wird Friedrichs Aufmerksamkeit von seinem ersten Lehrer auf die Landschaft gelenkt. Der Greifswalder Stadtbaumeister Johann Gottfried Quistorp zeichnet mit seinen Privatschülern gemeinsam in der Natur. Die klare Gliederung und der weite Horizont der pommerschen Landschaft prägen nachhaltig Friedrichs malerischen Blick.
Während die Aufklärer um Rousseau ein harmonisches Aufgehen in der Natur predigen, geht es den Romantikern um Selbstbegegnung. Sie sehen den Menschen nicht als Antipoden, sondern als wirkenden Teil der natürlichen Ordnung. Die Kultur beinhaltet die Pflege der Natur, ihre Durchdringung mit menschlicher Kraft. Und die Natur wirkt wieder zurück auf den Menschen. Diese Wechselwirkungen kennzeichnen Friedrichs Gemälde, denen auch innerhalb der zeitgenössischen romantischen Kunst ein Sonderstatus zukommt. „Die unmittelbare Naturerfahrung, die mit der ganzen Wucht des Meeres hereinbrach, war elementar für Friedrichs Werk“, bemerkt der Kunsthistoriker Boris von Brauchitsch.
Abbildung: Kreidefelsen auf Rügen, um 1818, Kunst Museum Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart
Abbildung: Landschaft mit kahlem Baum, 1798/99, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Umwege zum Ziel – Akademie in Kopenhagen
Auf der Kunstakademie in Kopenhagen begegnet Friedrich der vorherrschenden klassizistischen Ästhetik. Es gelingt ihm nur mit Mühe, den geforderten Leitbildern zu entsprechen. Der künstlerische Universalismus seiner Zeit, der in der Kunst der griechisch-römischen Antike und ihrer Anverwandlung in der italienischen Renaissance eine allgemeine Norm erkennt, fordert Friedrichs Widerspruch heraus: „Herren Kunstrichtern genügen unsere teutsche Sonne, Mond und Sterne, unsere Felsen, Bäume, Kräuter, unsere Ebenen, Seen und Flüsse nicht mehr. Italienisch muß alles sein, um Anspruch auf Größe und Schönheit machen zu können.“ Darin ähnelt er seinem großen Vorgänger Rembrandt, der seinen Schülern von Reisen nach Italien abriet und sie mahnte, sich auf sich selbst zu besinnen.
So lernt Friedrich an der Kopenhagener Kunstakademie vor allem, wie er es nicht machen möchte: „Darum, ihr Lehrer der Kunst, die ihr euch dünket so viel mit eurem Wissen und Können, hütet euch sehr, daß ihr nicht einem jeden tyrannisch aufbürdet eure Lehren und Regeln, denn dadurch könnt ihr leichtlich zerknicken die zarten Blumen, zerstören den Tempel der Eigentümlichkeit, ohne den der Mensch nichts Großes vermag.“
Heimatverbunden – Der Norddeutsche
Der nachdenkliche und zurückgezogene Maler lebt in turbulenten Zeiten. Ein Grundzug seines Wesens ist die Treue zu sich selbst und seiner Herkunft, die sich in zahlreichen fruchtbaren Freundschaften mit seinen Landsleuten auswirkt. Zu jenen aus seiner Greifswalder Heimat gehören der Buchhändler und Verleger Georg Andreas Reimer (1776-1842), der spätere Professor für Rechtswissenschaften an der Greifswalder Universität, Carl Schildener (1767-1843), der Maler, Schriftsteller und Pädagoge Friedrich August von Klinkowström (1778-1835) sowie der Theologe und spätere Dompfarrer Johann Christian Friedrich Finelius (1787-1846).
Der Rügener Pfarrer Ludwig Gotthard Kosegarten (1758-1818), der vor Fischern unter dem offenen Himmel der Uferklippen predigt, beeinflusst Friedrichs religiöses Verhältnis zur Natur und ist einer seiner ersten Sammler. Der auf Rügen geborene Ernst Moritz Arndt (1769-1860) verkehrt mit Friedrich. Aber auch mit dem nach ihm bedeutendsten Maler der Epoche, den im benachbarten Wolgast geborenen Philipp Otto Runge (1777-1810), kommt Friedrich 1801 zusammen. Eng befreundet ist er mit Georg Friedrich Kersting (1785-1847) aus Güstrow, der Friedrich mehrfach in seinem Dresdner Atelier bei der Arbeit malt.
Abbildung: Mondaufgang am Meer, 1822, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Abbildung: Frau am Fenster, 1822, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Poesie als Tat
Die Romantiker sind tatkräftige und wissensdurstige Menschen. Geistige und praktische Initiative sind bei ihnen nicht getrennt, sondern oft in einer Person verbunden. Einen Gegensatz von Kunst und Wissenschaft lassen sie nicht gelten. Ganz praktische Erfindungen aus diesem Geist sind das Flachdruckverfahren, auf dem der heutige Offset-Druck beruht, sowie die Nutzung der Elektrizität als Energiequelle. Der Physiker und Philosoph Johann Wilhelm Ritter (1776-1810) entdeckt die UV-Strahlung und entwickelt den ersten elektrischen Akkumulator.
Der Erfinder der Lithografie, Alois Senefelder (1771-1834), stammt aus einer Schauspielerfamilie. Bei ihm lässt sich der Schöpfer der deutschen Nationaloper „Der Freischütz“, Carl Maria von Weber (1786-1826), in der neuartigen Drucktechnik ausbilden und betreibt mit seinem Vater eine Lithografiewerkstatt. Der romantischste der deutschen Dichter, Friedrich von Hardenberg (1772-1801), genannt Novalis, der seinen Romanhelden Heinrich von Ofterdingen nach der sagenhaften Blauen Blume suchen lässt, ist Salinenassessor und erschliesst unter anderem die Bodenschätze des heutigen Tagebaus Profen im Süden Sachsen-Anhalts.
Der Feldmarschall August Neidhardt von Gneisenau verfasst 1811 den Plan für eine Volkserhebung gegen „Frankreichs Unterjochungsplan“. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) schreibt an den Rand dieser Denkschrift: „Als Poesie gut“. Darauf erwidert ihm sein Militärberater: „Religion, Gebet, Liebe zum Regenten, zum Vaterland, zur Tugend sind nichts anderes als Poesie, keine Herzenserhebung ohne poetische Stimmung. Wer nur nach kalter Berechnung handelt, wird ein starrer Egoist. Auf Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet.“ Der Sohn des Königs ist ein begeisterter Verehrer von Friedrichs Malerei. Ein weiterer bedeutender Kopf dieser Epoche ist der in Burg geborene Carl von Clausewitz (1780-1831). Sein Werk wird bis heute weltweit an den Militärakademien vermittelt. Friedrichs Gemälde sind der bildgewordene Höhepunkt romantischer Weltanschauung.
Frühromantik in Sachsen-Anhalt
Auf dem Anwesen des Komponisten Johann Friedrich Reichardt (1752-1814), ein parkartig gestaltetes Grundstück eines ehemaligen Klosters am Giebichenstein bei Halle an der Saale, treffen Tieck, Novalis, Brentano, Fouqué, Arnim, die Brüder Grimm, die Professoren Steffens und Schleiermacher zusammen. Bei letzteren studiert Joseph von Eichendorff. Eichendorffs Dichtung steht in ihrer Verbindung von Naturempfinden, Frömmigkeit und patriotischer Entschiedenheit der Malerei Friedrichs besonders nahe. Der aus Schlesien stammende Dichter kämpft im Lützower Freikorps gegen die Franzosen. Der Familiensitz der Eichendorffs lag bis zum Ende des Mittelalters in Eickendorf in der Börde.
Ein bekannter Held der Befreiungskriege gegen die napoleonische Fremdherrschaft ist der Magdeburger Friedrich Friesen (1784-1814). Caspar David Friedrichs Malerfreund Kersting hat ihm gemeinsam mit seinen beiden Kameraden Theodor Körner (1791-1813) und Heinrich Hartmann 1815 auf dem Bild „Auf Vorposten“ ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt. Die gemeinnützige und parteinahe Landesstiftung des Landesverbandes der Alternative für Deutschland (AfD) in Sachsen-Anhalt ist nach Friedrich Friesen benannt.
Abbildung: Georg Friedrich Kersting, Auf Vorposten, 1815, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Abbildung: Felspartie im Harz, 1811, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Harzreise
Mit dem Bildhauer Gottlob Christian Kühn (1780-1828) unternimmt Friedrich im Sommer 1811 eine Wanderung durch den Harz. Auf dem Hinweg wird bei den Schwestern Wilhelmine (1798-1865) und Caroline Bardua (1781-1864) in Ballenstedt ein Aufenthalt genommen. Caroline ist eine der ersten freischaffend tätigen Malerinnen in Deutschland. Ein Jahr zuvor hat sie Friedrich auf dem Höhepunkt seines Ruhmes porträtiert. (Auf Seite 2 dieses Hefts.) Kurz vor Friedrichs Tod wird sie ein weiteres Porträt von ihm anfertigen. Ihre Schwester Wilhelmine macht sich einen Namen als Sängerin und Autorin.
Zusammen mit der Gestalt der Küsten- und Boddenlandschaft Vorpommerns, den schlesischen und böhmischen Bergen sowie dem Elbsandsteingebirge gelangen über die Harzwanderung Friedrichs nun auch Eindrücke dieser Landschaft in seinen Formenschatz.
Seelenlandschaften
Friedrich zeichnet stundenlang an einer Baumgruppe, einem Busch oder einer Felsformation. Jedes Blatt, jedes Körnchen und jede Ritze versucht er mit seinem Bleistiftstrich zu repräsentieren. Auf manchen dieser Skizzenblätter vermerkt er eigenhändig die Arbeitsdauer. Doch er malt keine Landschaftsbilder nach der Natur ab. Denn aus den Ergebnissen genauester Beobachtungen entwickelt er in seinem Atelier völlig neue Bildzusammenhänge. Seine Untersuchungen des Himmels, der Felsen und nebliger Stimmungen fasst er zusammen und steigert sie zu Erfindungen, die so in der Natur nirgendwo vorzufinden und doch von vollkommen natürlicher Stimmung durchdrungen sind.
Eine eigentümlich gewachsene alte Eiche ist auf verschiedenen seiner Bilder in wechselnder Umgebung wieder- zuerkennen. Friedrich versetzt das pommersche Kloster Eldena in die böhmischen Dörfer, Felsklippen des Elbsandsteingebirges rücken neben die Vulkankegel des böhmischen Mittelgebirges.
Abbildung: Ruine Eldena im Riesengebirge, 1830/34, Stiftung Pommersches Landesmuseum, Greifswald
Friedrichs Atelier ist als ein neutraler Ort von jeder Ablenkung bereinigt. Hier entstehen seine großen Landschaften, die Friedrich als eine verdichtete Kunstwelt aus den zufälligen Eindrücken seiner Naturstudien herausbildet. Während 1826 Joseph Nicéphore Niépce im Heliografie-Verfahren mit „Blick aus meinem Arbeitszimmer“ das erste fotografische Abbild erstellt und sich damit für eine einfach abschildernde Malerei eine Bedeutungskrise ankündigt, beweist Friedrich mit seinen Werken, ebenso wie seine Zeitgenossen William Turner in England und Eugène Delacroix in Frankreich, dass die Aufgabe der Malerei sich nicht im Abbilden der Wirklichkeit erschöpft.
Abbildung: Mönch am Meer, 1808/10, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Auf dem Höhepunkt des Ruhmes
Auf Wunsch des 14-jährigen Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV., der als der „Romantiker auf dem Thron“ bekannt wird, erwirbt dessen Vater, der verwitwete Friedrich Wilhelm III. zwei großformatige Hauptwerke von Caspar David Friedrich, an denen der Künstler mehrere Jahre gemalt hat.
Für die Erwerbung von „Die Abtei im Eichwald“ und „Der Mönch am Meer“ aus der Berliner Akademieausstellung bringt der König im Jahr 1810, als das Land von Krieg und Besatzung heimgesucht ist, die beachtliche Summe von 450 Talern auf. Im gleichen Jahr wird der in Dresden lebende Maler von der Berliner Akademie der Künste zu ihrem Mitglied ernannt. Weitere Ankäufe des Königs folgen in den Jahren 1812 und 1816 als Geschenk zur Volljährigkeit des Kronprinzen. Dieser besucht den Künstler am 3. März 1830 in dessen Dresdner Atelier.
Berlin und Caspar David Friedrich befinden sich damals im Zentrum der europäischen Avantgarde. In den Berliner Abendblättern beschreibt Heinrich von Kleist den Eindruck, den der „Mönch am Meer“ damals beim Publikum hinterlässt: »Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel, auf eine unbegränzte Wasserwüste hinauszuschauen. Dazu gehört gleichwohl, daß man dahin gegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber mögte, daß man es nicht kann, daß man Alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Fluth, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt […] und so ward ich Kapuziner, das Bild war die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz. Nichts kann trauriger und unbehaglicher sein, als diese Stellung in der Welt: der einzige Lebensfunke im weiten Reich des Todes, der einsame Mittelpunkt im einsamen Kreis. Das Bild liegt mit seinen zwei oder drei geheimnisvollen Gegenständen wie die Apokalypse da, als ob es Youngs Nachtgedanken hätte, und da es in seiner Einförmigkeit und Uferlosigkeit, nichts als den Rahmen im Vordergrund hat, so ist es, wenn man es betrachtet, als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären.«
Patriotische Botschaften
Das Gemälde „Grabmale alter Helden“ (1812) basiert auf Skizzen, die Caspar David Friedrich im Juni 1811 am Eingang einer Höhle auf dem Hartenberg bei Wernigerode anfertigt. Inmitten der napoleonischen Kriege entwickelt Friedrich einen leidenschaftlichen Patriotismus. Als sein Freund Georg Friedrich Kersting 1813 mit dem preußischen Heer gegen Napoleon zieht, finanziert Friedrich dessen Ausrüstung und verschuldet sich dadurch erheblich.
Da er sich selbst für zu alt für den Kampf mit der Waffe hält, nutzt er seine Kunst, um den Widerstand gegen die französische Besatzung zu unterstützen. 1812 befindet sich Napoleons Grande Armée auf dem Russlandfeldzug. In dieser Zeit gehört Sachsen und damit Friedrichs Wahlheimat zu den Verbündeten Napoleons. Friedrich geht den Okkupanten, soweit es möglich ist, aus dem Weg, wohnt 1813 sogar einige Zeit in Krippen in der Sächsischen Schweiz, wo er auf einem dort entstandenen Skizzenblatt vermerkt: „Rüstet Euch heute zum neuen Kampf Teutsche Männer: Heil Euren Waffen!“
Abbildung: Gräber gefallener Freiheitskrieger (Grabmale alter Helden), 1812, Hamburger Kunsthalle
In dem auch als auch „Gräber gefallener Freiheitskrieger“ oder „Grab des Arminius“ bekannten Gemälde schafft Friedrich einen imaginären Heldenfriedhof und schlägt eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Er ruft den Cheruskerfürsten Arminius, den Befreier Germaniens, als Identifikationsfigur des patriotischen Kampfes gegen die französische Fremdherrschaft auf und stellt damit eine historische Kontinuität zwischen den für Freiheit und Vaterland gefallenen Kämpfern über die Zeiten hinweg her.
Das Werk, heute in der Hamburger Kunsthalle ausgestellt, symbolisiert den deutschen Widerstand und verkörpert die Hoffnung auf Befreiung sowie die Sehnsucht nach nationaler Einheit und Souveränität.
Abbildung: Hünengrab im Schnee, 1807, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Russische Freunde
Der russische Dichter Wassili Andrejewitsch Schukowski (1783-1852) besitzt mindestens neun Gemälde Friedrichs. In Begleitung des Großfürsten Nikolaus, des späteren Zaren Nikolaus I., besucht er 1820 Friedrich in seinem Atelier. Es erfolgen Ankäufe für den Zarenhof. Eine ganze Reihe von Hauptwerken Friedrichs sind dadurch heute in der Ermitage zu sehen, während sie in den Kunstmuseen des Westens kaum oder nur sehr spärlich anzutreffen sind. Im darauffolgenden Jahr besucht der russische Freund den deutschen Maler ein weiteres Mal.
Schukowski ist der Testamentsvollstrecker des Dichters Alexander Puschkin und hat als dessen Prinzenerzieher großen Einfluss auf die späteren Reformen des Alexanders II. Er übersetzt die Werke Schillers ins Russische, schließt sich im Vaterländischen Krieg gegen Napoleon der russischen Armee an. Er dichtet zahlreiche patriotische Gesänge sowie die Hymne „Gott schütze den Zaren!“ Ein Gemälde von 1827 zeigt die Rückenansichten Schukowskis und der Brüder Alexander und Sergej Turgenew an einem Geländer vor einer weiten Wasserlandschaft.
Der Betrachter im Bild
Neuartig für die Betrachter von Friedrichs Landschaften ist das Fehlen von erzählerischen Handlungen im Bildvordergrund. Bis zu seiner Zeit dient eine Landschaftsdarstellung meist als Rahmen für eine biblische oder mythische Szene. Zumindest sind Jäger, Hirten oder Reisende bei ihren Verrichtungen zu sehen. Bei Friedrich aber wirken die Personen, sofern sie überhaupt vorhanden sind, passiv und wie erstarrt. Da er selbst kein geschickter Menschenmaler war, lässt er sie auf einigen seiner Bilder von fremder Hand hineinmalen. Seine Menschen sind keine handelden Personen. Sie fungieren als Einweiser in das Drama der Natur.
Einen Hinweis dazu geben die vielen Rückenansichten. Sie sind wie Wegweiser oder Brücken in den Bildraum. Denn der Mensch im Bild ist niemand anders als der Betrachter selbst, der dadurch in das Gemälde hineingezogen wird. Friedrichs Bilder lassen sich nicht von außen her aus der Distanz beschauen wie die von Ludwig Richter oder Carl Blechen. Der Abstand zum Betrachter wird aufgehoben. Er ist kein Kunstgenießer, der sich dem Bild gegenüberstellt, sondern selbst die Hauptgestalt des kosmischen Dramas, das der Maler aufführt.
Abbildung: Der Wanderer über dem Nebelmeer, 1818, Hamberger Kunsthalle
Abbildung: Huttens Grab, um 1823/24, Klassik Stiftung Weimar
Einfluss und Nachwirkungen
Viele Zeitgenossen stehen ratlos vor Friedrichs Bildern. Aber sie akzeptierten deren Bedeutung aufgrund des Zuspruches, den Friedrich immer wieder von einflussreicher Seite erhält. Er wird zum Professor der Dresdner Kunstakademie ernannt, aber eine Lehrbefugnis ist damit nicht verbunden. Der preußische Kronprinz besucht den Maler in dessen Dresdner Atelier und verfügt später das mehrfach von Friedrich gemalte Kloster Eldena unter Denkmalschutz zu stellen.
Sein Bruder Wilhelm I. wird 1871 in Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufen. So gehen Friedrichs Anschauungen in die Seele des Deutschen Reiches als moderner Nationalstaat ein. Die parallel zur Industrialisierung anhebende Naturschutzbewegung und die Landschaftsgestaltung verdanken dem Maler viel. Jede Reklame für den Fremdenverkehr einer als reizend empfundenen Gegend und jede Naturfotografie orientiert sich bis heute, bewusst oder unbewusst, an der von Friedrich ausgeprägten Sichtweise. Wo sich die Ökologie nicht allein als wirtschaftlich kalkulierende Ausbeutungskritik versteht, sondern sich in einer Umweltresonanz die Grundbedeutung des menschlichen Daseins ausspricht, dort wirkt sich Friedrichs Verständnis einer Einheit von Ökosphäre und Kulturraum aus. Die Umrisse der heimatlichen Landschaft haben Bedeutung und mahnen uns zur Verantwortung.
Das erste Reichsnaturschutzgesetz beginnt mit den Worten: „Heute wie einst ist die Natur in Wald und Feld des deutschen Volkes Sehnsucht, Freude und Erholung.“ Noch im aktuell gültigen Bundesnaturschutzgesetz finden wir diesen Gedanken wieder im Schutzgebot von „Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie … Erholungswert von Natur und Landschaft“ und dem Anliegen „Naturlandschaften und historisch gewachsene Kulturlandschaften, auch mit ihren Kultur-, Bau- und Bodendenkmälern, vor Verunstaltung, Zersiedelung und sonstigen Beeinträchtigungen zu bewahren.“
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